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 Zone 90

Zone 90  -neue Story vom Heel -Zapfen (Rote Platte Ostsporn, eine Fortsetzung der Stor “Zapfenfieber”)

August 2001, Schafgufel:

Mich fröstelt, der Schafsmist vor meiner Nase stinkt und ein Stein drückt mir in die Hüfte. Trotzdem verschwimmt die wolkenverhangene Kontur der Parseierspitze immer mehr vor meinen Augen, die Monotonie der vom Gufelrand fallenden Wassertropfen wirkt einschläfernd und der Schlafdefizit des nächtlichen Aufbruches tut sein übriges, langsam dämmere ich weg.

Schon beim Aufbruch vom Auto 4 Stunden vorher war das Morgengrauen durchaus wörtlich zu nehmen und anstatt der prognostizierten Wetterbesserung verdichteten sich die Wolken ständig, lagen dann bald auf den Gipfeln auf, um schließlich kurz vor unserem Eintreffen auf der Schafgufel einen zunehmenden Nieselregen auszusondern. Nach stundenlangem Herumhocken vor dem kleinen Schäferhüttchen und genauestem Studium aller Einträge im Schafgufelbuch wurde es mehr und mehr langweilig: Die Hoffnung, unser Vorhaben – die Fertigstellung unserer Route „Zapfenfieber“ am Ostsporn der Roten Platte -  zu realisieren, war vollends gesunken, da auch bei einem schnellen Aufreißen der Wolken die Sonne schon nicht mehr in die Wand kommen würde, um den Fels abzutrocknen. Die einzige Möglichkeit, etwas sinnvolles mit der Situation anzufangen, war hinliegen und schlafen, so breitete ich meinen dünnen Anorak auf den Gufelboden und legte mich darauf.

„Es reißt auf“, der Schrei von Dieter holt mich abrupt aus meinen etwas wirren Träumen, die von abstürzenden Bohrmaschinen und warmen, weichen Betten handeln. Tatsächlich zeigen ein paar schüchterne blaue Stellen am Himmel eine beginnende Besserung an. Obwohl unser ursprünglicher Plan aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr aufgehen kann, trotten wir doch noch hinauf ins obere Parseierkar: „Wenigstens unsere mitgebrachten Bohrhaken hinaufbringen“,denken wir – und da war ja noch der Felsstreifen links von unserer Tour, zu dem wir bei den vergangenen Aktionen schon hinübergespechtet hatten und wo wir eine Folge von kletterbaren Strukturen auszumachen glaubten.
Oben angekommen ist natürlich noch immer ein Großteil der Wand nass, aber genau dort, wo „unser“ anvisierter Felsstreifen mit einer kompakten Zone am Wandfuß endete, war es trocken geblieben. Einige Stunden später zieht ein Linie von Bohrhaken 40 Meter die Wand hinauf. Besonders der untere Teil dieser Linie hatte uns einige Mühe, Stürze und kitzelige Cliffstellen bereitet und wir wussten mittlerweile auch, warum der Fels hier trocken geblieben war. Zufrieden mit unserem Notprogramm und seinem Fortschritt stolpern wir das Kar hinaus und ich ahne noch nicht, dass für mich das Thema „Klettern im Lechtal“ damit erst mal beendet ist.

Schon die letzten Wochen bereitete mir verspannte Nacken- und Rückenmuskulatur ziemliche Probleme, und eine Woche später ist es dann soweit. Plötzlich kann ich kaum mehr nach oben schauen, einige Finger sind gefühllos und ich kann nicht mehr ordentlich koordiniert im unebenen Gelände laufen – von joggen oder flott treppab laufen ganz zu schweigen. Verschiedene Behandlungsversuche bringen keine Besserung, im Gegenteil. Schließlich die Bilder vom Kernspin – mehrfache Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule – die wenig aufbauenden Kommentare der Orthopädenzunft – schnell Operieren oder Lähmungen – und die nur selten positiven Erfahrungen vieler, die sich einer OP unterzogen haben – die Wand ist auf einmal sehr, sehr weit weg und es fällt schwer, positiv zu bleiben. Meine Gedanken und Interessen drehen sich um ganz andere Dinge als Klettern und als ich einmal – mehr zufällig – auf die Wandbilder stoße, ist die Betrachtung lange nicht so intensiv wie früher – ein bisschen Wehmut, als ich mich auf dem grauen Felsstreifen des Fotos entlangtaste, dann der Sprung zurück in die neue Realität - was gibt es noch für hoffnungsnährende Therapiemöglichkeiten?

 

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Der Zapfen im Morgenlicht, phantastische Eindrücke während des Zustiegs ins Parseiergries
näheres Siehe Infoteil “Zapfen”

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Juli 2002, 100m in der Wand:

Die linke Hand liegt links drüben auf der flachen Leiste, die Finger der Rechten bohren sich in einen schmalen Schlitz, doch sie gehen nicht richtig rein, der Schlitz ist zu schmal und ich kann ihn nur außen halten. Sobald ich links weitergreifen will, meldet der rechte Unterarm deutliche Bedenken an, probiere ich einen Griffwechsel mit beiden Händen auf die flache Leiste, fang ich an, nach links umzukippen. Auch durch Umtreten kann ich die Stellung nicht verbessern, weil ich eh schon auf dem einzig guten Tritt stehe und links nichts da ist zum Antreten. Immer mehr krampfen die Arme, der Blick schweift immer öfter runter zum letzten Bohrhaken, taxiert Abstand, Flugbahn und Landebereich, oh scheiße... wieso bring ich mich in diese Situation, ich wollte doch nur nachsteigen und sichern.

Vor 4 Wochen erst hab ich wieder mit dem Klettern angefangen. Seit einer speziellen Krafttrainingstherapie im Winter ging´s mir zwar schon deutlich besser, auch einige Skitouren funktionierten schon ganz gut, aber an´s Klettern hab ich mich lang nicht rangetraut. Zu groß war die Angst – zum einen vor miserabler Form, Verkrampfung und Frustration, zum anderen vor neuer Verschlimmerung der Beschwerden. Schließlich wagte ich es doch und siehe da, es machte gleich wieder Spaß und durch eine niedrige Erwartungshaltung gab es auch Erfolgserlebnisse. Nach ein paar Wochen rissen mich Dieters Elan und Begeisterung mit, ich sagte zu zu einem Einsatz in unserer begonnenen Tour am „Heel- Zapfen“ – nur nachsteigen und sichern. Zwar ließ mich die Einstiegspassage meinen Trainingsrückstand deutlich spüren und verschafft mir gleich von Beginn weg harte Unterarme, aber der geniale, kletterfreundliche Fels der nächsten Seillänge und Dieters starker Auftritt beim Vorsteigen und Einrichten derselben hat mich wieder leichtsinnig gemacht, ich nahm das Angebot an, auch ein Stück jungfräulichen Fels anzugehen.

Nun bereue ich es, doch so einfach gibt es kein zurück. Dieters gutes Zureden und meine zusehends schwächer werdenden Arme lassen mich endlich doch entschlossener den Griff wechseln: Ein ziemlich blöder Moment, als ich das Gefühl habe, seitlich wegzukippen, dann hab ich den größeren Schlitz links drüben erwischt. Scheiße, der ist ja schlechter wie erwartet, aber es gibt kein zurück mehr. Reinlassen, Füße nach, weiterhangeln, schnell den Cliff über die gute Kante gelegt und reingehängt,... hält, ....geschafft, nur noch die Maschine rauf. Mit einem neu gebohrten Haken startet sich´s dann wieder deutlich unbeschwerter , nach 2 schweren Zügen anhaltende Henkel und sich langsam zurücklegendes Gelände ermöglichen ein problemloses Erreichen eines kleinen Bandes – Stand.

Einige Stunden später sitzen wir mit den Schafrot´s unten vor der Alp bei der Materialseilbahn zur Memminger Hütte beim Bier. Alle sind in in bester Stimmung, Jürgen und Rainer haben die „Ohne Heel und Tadel“ wiederholt, sind noch angetan von der gebotenen Kletterei und wir sind hochzufrieden über unseren Fortschritt. Dieter hatte noch die ziemlich fragliche Passage vom Stand weg lösen können, und während der Gerstensaft wohltuend durch die Kehlen rinnt, kommt schon langsam wieder diese Neugier und Spannung auf....wie geht´s da oben wohl weiter?

2 Wochen später, ein Stück höher:

Gut geht es weiter, das ist klar. Bester, kletterfreundlicher Fels, Dieter hat schon wieder 4 Haken geschafft und wieder lasse ich mich auf´s scharfe Ende des Seiles ein. Zwei Wochen schlechteres Wetter waren genug Zeit, um die Nachwirkungen vom letzten Mal auszukurieren und neue Motivation wachsen zu lassen. Diesmal hab ich auch die unteren Seillängen rationeller geschafft, die Angststelle vom letztem Mal sogar relativ gut vorgestiegen. 

Ich taste um die Kante, erfühle den guten Seitgriff und laufe an. Eine kleine, aber positive Leiste bietet dem Cliff sicheren Halt, reingehängt und Bohrmaschine hoch. Die Rückblick zum Stand, unter dem die Restseile von der Wand wegbaumeln, die im total senkrechten Gelände frei am Nachziehseil heraufschwebende Bohrmaschine, ich bin wieder total begeistert. Die Begeisterung steigert sich noch, als nach einer kurzen, kniffligen Passage vom neuen Haken weg eine Folge von versteckten Henkeln den Ausstieg aus dieser steilsten Passage erlaubt, der Fels dann bis zum nächsten Stand erlesene Güte und enorme Griffigkeit aufweist.

Dieter macht mit der nächsten, ein wenig leichteren Länge dann kurzen Prozess, holt mich nach auf eine bequeme Rampe unter der Schlusswand. Da diese gerade hinauf uns doch zu schwer und fraglich ausschaut, starte ich die nächste Seillänge mit einer Linksquerung auf ein Schuppe hinüber und von dort weg an kleinen schwarzen Einlagerungszäpfchen in die Wand hinein. Vom letzten Haken kann ich schon wieder vielversprechende Griffe ausmachen, doch wenn wir nicht in Rainer Treppte´s „Zone 40“ reinqueren wollen, wartet darüber noch ein beeindruckender, kompakter Wulst.

Doch genug für heute, Rückzug und Abseilen ist angesagt und nach fast 10 Stunden in der Wand landen wir kurz vor 7 Uhr endlich wieder auf festem Boden. Schnell die Kletterschuhe runter, kurz bequem hinhocken, dann heißt es schon wieder zusammenpacken und weiter. Zwar trägt uns die Begeisterung noch ein Stück das Kar hinunter, doch beim langen Weg das Parseiertal hinaus vernimmt man dann schon manchen leidenden Seufzer.

4 Tage später

Ein langer Fluch von Dieter begleitet den Absturz unseres besten Cliffhängers, mit der Schlinge dran scheint das Ding fast zu flattern und die freie Flugbahn - ohne ein einziges Mal am Fels zu streifen - lässt sich lang verfolgen, endet dann ein paar Meter vom Wandfuß entfernt im Geröll.
Lang hatte uns die Spannung nicht ruhen lassen, die Mühsal das Abstiegs war bald vergessen, denn die Rätsel wollen gelöst sein. Und es hatte gut angefangen, wir sind relativ zügig wieder heroben am Umkehrpunkt, doch nun, schon beim ersten neue Haken dieses Missgeschick.
Aber da hilft jetzt nichts, Dieter hat schon einen der anderen Cliffs in Einsatz gebracht. Wenig später holt er mich ein Stück nach, damit der Stand günstiger liegt, um die Versorgung des Vorsteigers mittels „Nabelschnur“ sicherzustellen.
Auch von meinem neuen Standpunkt aus schaut die Wulstzone sehr fraglich aus, doch Dieter verbreitet Optimismus, setzt bald den ersten Haken an den Ansatz des Bauches. „Ich glaub, da kommt wieder was“, lautet der Kommentar. Dann braucht er zwar ein paar Anläufe, aber schließlich hängt er doch schon wieder ein Stück höher im Cliff und die Maschine surrt. Eine anvisierte Griffschuppe erweist sich wie erhofft als fest, noch ein Haken und dann verschwindet Dieter langsam über der Kante und ich sehe nur noch das weit von der Wand hängende Nachziehseil. Auf einmal läuft dieses Seil flott nach oben, Jubelschreie verkünden das Erreichen einer Reihe von Henkeln. Das Seil läuft weiter flott und beim nächste Halt wird die Maschine schon für den Standplatz raufgeholt. Erst beim Nachsteigen merke ich, wie heftig der Wulst rausdrückt und welch gemeiner Zug hier kurz vor den Henkeln nochmal lauert.

Zwei Stunden später stehe ich auf einem kleinen Absatz und wenn ich mich beim Bohren hinauslehne, streift mich schon die Sonne - oberhalb von mir lehnt sich der Fels endgültig zurück. Diese letzte, als reines Auslaufgelände eingeschätzte Seillänge hatte mich ganz schön gefordert, da am letzten Aufschwung die gewohnten Henkel auf einmal ein Stück weit fehlten. Auch Dieter muss sich im Nachstieg noch mal richtig einhalten, dafür kann er im Weiterweg vermelden, dass wir eine ideale Stelle für´s Aussteigen gefunden haben, keine Bomben oder brüchige Schrofen, sondern ein schöner, kleiner Wiesenfleck mit moosartigen Polstern, die geradezu auf ein paar müde Nordwand-Gestalten zu warten scheinen. So fällt es nach einer zwar kurzen, aber erholsamen und stimmungsvollen Pause umso schwerer , sich wieder hineinzuzwängen in die Kletterschuhe und hinabzutauchen in die schattige, schrecklich ausgesetzte Wand.

Trotz aller Konzentration, die notwendig ist, um beim Abseilen keinen entscheidenden Fehler zu machen bleibt zwischendurch noch ein bisschen Raum, die Gedanken schweifen zu lassen. Und dabei stellt Dieter fest, dass das addierte Alter der beiden Erschließer zusammen gerade 90 Lenze erreicht. In Anlehnung an Rainer Trepptes benachbarte „Zone 40“  - eröffnet, als der Erstbegeher endgültig die Jahrzehnte der Jugend verlassen hatte - , taufen wir nun unsere Route „Zone 90“.

Nachtrag (8.8.2002):
Ganz fertig ist die Geschichte noch nicht, zuerst müssen wir noch die Schuppe in der Einstiegsseillänge zusätzlich befestigen, damit sie kein Wiederholer aus der Wand reisst,  und die letzten Seillängen des „Zapfenfiebers“ wollen noch vollendet sein – wenn wir dabei nicht wieder „gezwungen werden“, was neues anzufangen.

Nachtrag (10.8.2002):
Es scheint ein Fluch auf dem Projekt Zapfenfieber zu liegen. Wieder waren wir bei hoffnungsvollem Wetterprognose aufgebrochen, wieder drücken die Wolken herein, die Wand ist nass und es fängt zu Regnen an – diesmal allerdings erst, als wir schon fast ganz oben am Depot sind. Bei Nieselregen und nasser Wand kämpft sich Dieter mit Hilfe eines Skistock- Cheedersticks die 1. Seillänge bis zur Schuppe hinauf, damit der 4 Uhr Aufbruch und der Weg herauf nicht ganz umsonst waren. Nachdem die Schuppe mit kunstvollen Maurerarbeiten befestigt ist, hat das Nieseln vorübergehend aufgehört. Zwar ist die ganze Wand nass, aber: „da links unten ist ein fast trockener Pfeiler, und da könnte man dann da oben rechts rüber und .....“.

(Kein) Ende vom Lied: Trotz Nässe, dichtem Nebel und leichtem Nieseln sind am Nachmittag die ersten zwei Seillängen eines neuen Projektes vollendet, das Zapfenfieber hat einen neuen Schub erfahren, die Geschichte geht weiter....

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Dieter in der zähen Einstiegswand

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Start in die 2. Seillänge

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Gute Griffschuppen in der steilen 2. Seillaämge

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Der Beginn der phantastischen 4. SL

mehr Bilder vom Zapfen:

Kletterbilder Zapfen

Nachtrag. 30.9.
Nach einer weiteren Regentagsaktion und einem Tag, an dem wie ganz bewusst unser neues Projekt “Klondike” angingen (nach dem “Dresden Hochwasser” war der Rest der Wand nass), steht dieses kurz vor der Vollendung (noch eine Seillänge bis zur Einmündung in “Diebstahl”).
Trotz eines leichten gesundheitlichen Rückschlages haben wir am Ende einer langen Schönwetterperiode Ende Sept. wieder mal einen Anlauf unternommen, das “Zapfenfieber” zu vollenden. Obwohl die Innsbrucker Wetterberatung nochmal einen sonnigen Vornittag versprochen hatte, mussten wir schon in der 2 Seillänge im Regen umdrehen - mit vollen Akkus. Nachdem dann wirklich fast alles nass war an der Wand, entdeckten wir knapp rechts vom Zapfenfieber doch noch eine trockene Wandzone.
Dort stecken jetzt auch schon 10 Haken

letzter Nachtrag in dieser Sache: schon im Mai 2003 konnten wir die “Klondike” vollenden, und am 19. Juni - trotz teils echt “zapfiger”  Bedingungen endlich auch das “Zapfenfieber”. Trotzdem, ein zwei Ideen haben wir noch.